freiburger bündnis – eine schule für alle

Stellungnahme zur Zukunft der Schule nach der Corona-Krise

Die Corona-Pandemie hat unsere gesamte Gesellschaft erschüttert und ist wohl noch lange nicht überwunden. Ein Teil dieser Gesellschaft, die Schule, sieht sich durch die Schließung der Gebäude und die Verhinderung von sozialen Kontakten vor großen Herausforderungen. Deshalb halten wir es für äußerst sinnvoll, die Situation der Schulen genau zu analysieren und für die Zukunft nach der Krise Schlussfolgerungen zu ziehen.       

Auch wenn die Gemeinschaftsschulen als Ganztagsschulen besonderen Wert auf die Präsenz ihrer Schülerinnen und Schüler legen, ist ihnen der Übergang ins Homeschooling leichter gefallen als anderen Schularten. Denn selbstständiges Arbeiten mit der Lehrerin und dem Lehrer als Coach ist dort keine Notlösung, sondern der Normalzustand.

Die Pädagogik der Gemeinschaftsschule hat sich in der Krise als zukunftsweisend auch für andere Schularten erwiesen. Sie bildet daher den Ausgangspunkt für die folgenden Überlegungen:

  1. Wir müssen lernen, die Kinder und Jugendlichen auch in der Schule als Einzelperson zu sehen und zu fördern, ihnen individuelle Lernzeit und Aufgaben zu geben, ihre Leistungen individuell zu beschreiben – und das nicht nur in der Krise, sondern auch im normalen Schulalltag. Dabei bietet die Digitalisierung enorme Chancen, erlaubt doch eine digitale Lernumgebung das Lernen im eigenen Tempo an nahezu beliebigen Orten.
  2. Die Kinder und Jugendlichen sollten von Beginn an lernen, die Verantwortung für ihr Lernen zu übernehmen. Das selbstständige Lernen findet im Rahmen von gemeinsamen, von der Lehrkraft gelenkten Unterrichtsformen und kooperativen Lernformen statt. Hierdurch werden das Selbstwertgefühl, die Selbstständigkeit sowie Kooperations- und Teamfähigkeit entwickelt. Diese neue Lernkultur steigert das selbstständige Lernen und die Lernfreude, wenn Schülerinnen und Schüler nicht nach dem starren Konzept des Forderns und Benotens unterrichtet werden, sondern ein Stück weit selbst ihren Lernrhythmus bestimmen können.
  3. Wir müssen die Rolle der Lehrkräfte neu denken. Sie sind nicht nur Wissensvermittler und Notengeber, sondern auch Coach, Mentor, Lernbegleiter, Erzieher und Partner. Gefragt ist künftig Teamarbeit sowohl in den Kollegien wie auch in multiprofessionellen Teams.
  4. Wir müssen die in der aktuellen Krise sichtbar werdende Trennung der Gesellschaft in unterschiedliche soziale Gruppen verhindern. Wir sollten die Kinder und Jugendlichen im Sinne der Bildungsgerechtigkeit nicht nach der 4. Klasse in unterschiedliche Schularten trennen, sondern in einer weiterentwickelten Lernkultur individuell, selbstverantwortlich und gemeinsam fördern und begleiten. Besonderes Augenmerk muss auch der digitalen Spaltung der Gesellschaft gelten. Schülerinnen und Schüler mit unzureichendem Gerätezugang drohen beim Homeschooling vollends abgehängt zu werden.
  5. Die Schule leistet für die Gesellschaft weit mehr, als Eltern eine Berufstätigkeit zu ermöglichen. Sie bietet vielmehr einen Rahmen für nachhaltige Bildungserfahrungen von Kindern und Jugendlichen, unabhängig von ihrer Herkunft. Wird dieser Rahmen auf Prüfungsmodalitäten und Abschlüsse reduziert, wird Schule zu einem bloßen Instrument sozialer Auslese statt zu einem inklusiven Lern- und Lebensort.

Freiburg, den 1. Mai 2020

 

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