EINSPRUCH
1. »Leistungsstarke und begabte Kinder und Jugendliche kommen in einer Schule für alle zu kurz.«
Inklusive Schulen in Deutschland und anderen Ländern haben bewiesen: Längeres gemeinsames Lernen bringt mehr Schülerinnen und Schüler mit Spitzenleistungen und weniger Schülerinnen und Schüler mit schwachen Leistungen hervor. Inklusive Pädagogik schafft die bestmögliche Förderung jedes Kindes und jedes Jugendlichen. Durch individualisiertes und selbstverantwortliches Lernen in heterogenen Gruppen können sich begabte Kinder und Jugendliche leistungsmäßig und in ihrem Sozialverhalten besser entwickeln.
2. »Kinder mit Behinderungen und lernschwache Kinder werden in Sonder- und Förderschulen viel besser gefördert als in einer Schule für alle.«
Kinder und Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf sind in einer inklusiven Schule Teil einer vielfältigen Gemeinschaft. Sie bekommen so die verschiedensten Anregungen von Kindern und Jugendlichen, mit denen sie sonst kaum Kontakt haben. Es ist selbstverständlich, dass in einer Schule für alle die Kompetenz von Sonderschullehrkräften, Heilpädagoginnen und Heilpädagogen in den Unterrichtsalltag voll einbezogen wird.
3. »Die Leidtragenden einer Schule für alle werden neben den Kindern und Jugendlichen auch die Lehrkräfte sein.«
Ausgehend von der derzeitigen Situation an den meisten Schulen ist dieser Einwand nachvollziehbar. Studium und Fortbildungen müssen Lehrkräfte künftig verstärkt auf den Umgang mit Heterogenität und das Arbeiten im Team vorbereiten. In einer Schule für alle arbeiten die Lehrkräfte in multiprofessionellen Teams, unter anderem gemeinsam mit Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen sowie Sonderschullehrkräften.
4. »Es gibt doch genügend Schulangebote, aus denen man sich das passende aussuchen kann. Dazu brauchen wir keine Schulstrukturdebatte.«
Fast richtig: Auch in Freiburg gibt es zahlreiche und gute Bildungsangebote. Aber im bestehenden staatlichen Schulsystem werden alle Kinder und Jugendlichen nach der Grundschule für den Rest ihrer Schulzeit in verschiedenen Schularten voneinander getrennt. Das ist unsozial, ungerecht und entlässt immer mehr Bildungsverlierer. Wie die Einführung der neuen Werkrealschule zur Rettung der Hauptschule zeigt, gerät das jetzige Schulsystem immer mehr in Schieflage. Deshalb ist eine breite Schulstrukturdebatte nötig.
5. »Das zuletzt gute Abschneiden von Baden-Württemberg bei PISA zeigt doch, dass wir auf dem richtigen Weg sind.«
Laut PISA 2008 bestimmt gerade auch in Baden-Württemberg die Herkunft über die Zukunft der Schülerinnen und Schüler. Bei gleich guter Leseleistung hat ein Kind aus einer Beamtenfamilie fast siebenmal bessere Chancen, das Gymnasium zu besuchen, als ein Kind aus einer Arbeiterfamilie. Außerdem ist die Anzahl der »Risikoschüler« mit minimalem Wissen, ohne Abschluss und mit geringen Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu hoch. Eine Schule für alle lässt kein Kind fallen und ermöglicht allen Schülerinnen und Schülern eine erfolgreiche, den persönlichen Voraussetzungen und Potenzialen angepasste Bildungslaufbahn.